Liebes Internet!

Ich schreibe dir diesen Brief, weil die Email, die ich dir geschickt habe, prompt zurück kam. Deinen Einwand, du könntest an dieser Adresse keine Post empfangen, kann ich nicht gelten lassen, denn ich lese deine Emails ja auch. Dein Online-Formular habe ich nicht gefunden, obwohl ich stundenlang danach gesucht habe. Ist vielleicht auch besser so: Kannst du dir vorstellen wie deprimierend das ist, wenn alles, was man dem anderen zu sagen hat, immer nur unter “Sonstiges” fällt? Und dann diese Liste mit Fragen, die andere dir gestellt haben! Verstehst du nicht, dass das alles nichts mit mir zu tun hat – oder wolltest du mich damit nur demütigen?!

Und nein, von meinen Briefen kannst du dich nicht abmelden – aber das musst du auch nicht: Ich wollte dir nur sagen, dass es aus mit uns ist. Aus, und vorbei!

Natürlich hatten wir auch schöne Zeiten – aber das ist lange her. Ich mochte dich damals, wirklich! Wir waren beide noch jung und haben jede Menge Blödsinn gemacht zusammen. Mit deiner Weltgewandtheit hast du mich um den Finger gewickelt!

Du hast dich sehr verändert, weißt du? Hattest du das Geld wirklich so nötig? Und ich dachte, es geht dir gut. Natürlich mache ich mir auch Vorwürfe – ich hätte besser auf dich aufpassen müssen.

Meine Freunde haben gleich gesagt, dass du nur auf die Kohle aus bist – aber ich wollte das nicht wahrhaben. Inzwischen habe ich keine Freunde mehr. Wozu auch – du erzählst mir ja ohnehin, was die so treiben. Da bist du völlig schmerzfrei. Zu unserem Jahrestag hast du mir dann eine Rechnung geschickt!

Und mein Geburtstag? Über deine Mail habe ich mich wirklich gefreut – aber als du dann noch 20 weitere geschickt hast, hatte ich das Gefühl, dass ich dir völlig gleichgültig bin.

Und ich dachte, du liebst mich!

Ich kann dir alles anvertrauen, hast du gesagt. Was du nicht gesagt hast, ist dass es am nächsten Tag die ganze Stadt weiß!

Dass du mir in letzter Zeit nur noch nach dem Mund redest, macht es übrigens nicht besser. Wolltest du so unsere Beziehung retten?! Ein verdammter Arschkriecher bist du geworden – manchmal frage ich mich, ob du überhaupt noch eine eigene Meinung hast.

Und soll ich dir noch was sagen? Ich denke, das wird mit der Zeit immer schlimmer! Wie oft willst du mich eigentlich noch fragen, ob du mir Post schicken darfst?! Und vor allem: Du tust es doch sowieso! Du solltest dich echt mal ansehen lassen.

Meine Therapeutin behauptet, dass du meinem üblichen Beuteschema entsprichst – aber das stimmt so nicht: Dein Narzissmus kennt keine Grenzen, und deine Kontrollsucht macht mir Angst. Ständig mischt du dich in mein Leben ein! Und immer muss alles nach deinen Regeln laufen. Ich habe auch Geschäftsbedingungen, weißt du!

Und glaubst du, ich merke nicht, dass du mir nachspionierst? Wozu, frage ich mich – denkst du denn wirklich, dass ich dich mit einem anderen Internet betrüge?

Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, sollte man dem anderen doch irgendwann vertrauen – oder es lassen. Findest du nicht?

Unser Verkehr ist auch nicht mehr wie früher. Und du? Du schreibst mir, ich soll mir Viagra kaufen. Ich bitte dich – als ob es an mir liegen würde!

Und warum müssen wir abends immer all die Pornos sehen?

Ich wollte wirklich, dass zwischen uns wieder alles gut wird. Ich habe unser Problem auch recherchiert! Ich habe mir sogar die Bücher bestellt, die du empfohlen hast, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Im Ernst – wer hat schon die Zeit, über 3000 Bücher zu lesen?!

Gut – jemand ohne geregelte Arbeitszeit vielleicht.

Jemand, so wie du.

Vielleicht solltest du dir mal einen Job suchen! Irgendwas Praktisches: Bauarbeiter zum Beispiel. Oder Fischer – ein Netz hast du ja schon. Verpiss dich doch einfach auf eine einsame Insel – irgendwohin, wo sie noch kein Internet haben!

Und wenn du gehst, nimm die verdammten Katzen mit. Ich hasse Katzen!
 

Über den Autor

Stefan